
„Korsika – wie Stefan lernte, die Franzosen (ein bisschen) zu lieben“
Reisebericht vom 06.09. – 20.09.2025
Mit Karin (der Reiseleitung) und Stefan (dem unfreiwilligen Frankreich-Korrespondenten)
Eigentlich fing alles damit an, dass Karin meinte: „Lass uns mal nach Korsika!“ Stefan reagierte mit einem gequälten Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen Zahnarzttermin und Französisch-Vokabeltest lag. Denn Stefan hat ein gespaltenes Verhältnis zu den Franzosen – sagen wir’s mal diplomatisch: er mag sie nicht. Wieso genau, ist unklar, aber vermutlich haben Käse ohne Brot, unverständliche Straßenschilder und gestreifte T-Shirts damit zu tun.
Aber gut, Kompromisse machen eine Beziehung stark – und so saßen wir am 6. September gegen 14 Uhr brav im Flieger von Hannover nach Bastia. Der Pilot war vermutlich Franzose. Stefan hat es heldenhaft überlebt.
In Bastia angekommen, wartete schon unser Mietwagen auf uns – ein Fiat 500, dachten wir. Pustekuchen! Stattdessen gab’s ein Upgrade auf einen Renault Clio. Ein französisches Auto. In Stefans Welt ungefähr so, als würde man einem Vegetarier einen Wurstkorb schenken. Doch schon nach wenigen Kilometern stellte sich heraus: Der Clio hat’s drauf. Und Korsika erst recht.



Unsere erste Etappe führte uns quer über die Insel von der Ost- zur Westküste, von Bastia nach Calvi. Und was soll man sagen: selbst Stefan musste zugeben, dass diese Insel nicht ganz hässlich ist. (Zitat: „Boah.“) Hochgebirge, dichte grüne Wälder, schroffe Felsen, endlose Kurven – und plötzlich öffnet sich der Blick auf das glasklare, türkisfarbene Meer. Da wurde sogar der kritischste Franzosen-Meider weich.
Angekommen in Calvi, fanden wir sofort unser Hotel „Kasano“.

Was wir allerdings nicht fanden: einen Parkplatz. Die Polizei hatte wegen einer Prozession sämtliche Straßen gesperrt. Warum, wieso, weshalb? Keine Ahnung. Frankreich halt. Karin hat das professionell gelöst: Sie ist mit den Koffern ausgestiegen, hat eingecheckt – und zack! Wieder ein Upgrade. Dieses Mal fürs Zimmer: 3. Stock, direkter Meerblick vom Bett aus. Wenn’s dafür Punkte gäbe, wäre das glatt die Champions League der Hotelzimmer. Das Kasano war ein Volltreffer. Geschmackvoller als Stefans Lieblingsbier, mit allem, was man braucht – und direktem Blick auf die Citadelle von Calvi. Eingebettet in die malerische Altstadt, zwischen kleinen Gassen, Bougainvillea und dem Duft von Macchia und Espresso, konnten wir nur sagen: „Oui, bitte!“
Und so begann unsere Reise auf Korsika – mit zwei Upgrades, einem französischen Auto und einem Stefan, der langsam aber sicher begann, seine Meinung zu überdenken.
Kapitel 2: Die Kofferfrage und das kulinarische Erwachen
Nachdem Stefan – unter lautem Fluchen, aber mit beeindruckender Ausdauer – nach nur einer halben Stunde endlich einen Parkplatz erkämpft hatte (in einer winzigen Lücke, bei der die Spiegel des Clio vermutlich noch heute zittern), konnte auch er zum ersten Mal unser Hotelzimmer betreten. Und siehe da: Der Grummelkönig wurde schlagartig still. Was er da sah, ließ sogar seinen inneren Frankreich-Kritiker kurz verstummen.


Meerblick vom Bett aus. Geschmackvolles Interior-Design. Hochwertige Materialien. Sogar die Minibar war besser sortiert als Stefans eigener Kühlschrank.
Karin begann direkt damit, ihren Koffer auszupacken – also so richtig. Mit Schrank, Hängern, Kosmetika in Reih und Glied. Stefan beobachtete das Ganze mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit. „Wir fahren doch in zwei Wochen wieder zurück. Das lohnt doch gar nicht…“ – ein Satz, der ungefähr so zielführend war wie ein Regenschirm aus Papier.
Karin antwortete mit dem international verständlichen Blick für: „Mach, was du willst. Aber fang nicht an zu meckern, wenn du in fünf Tagen deine Socken nicht mehr findest.“
Kurz darauf machten wir uns – halb organisiert, halb chaotisch – auf den Weg, die Altstadt von Calvi zu erkunden. Und was sollen wir sagen: Liebe auf den ersten Pflasterstein! Diese Stadt hat einfach alles, was man sich für einen Urlaub wünscht – enge, verwinkelte Gassen mit charmant schiefem Kopfsteinpflaster, bunte Häuser mit Fensterläden, die schon bessere Zeiten gesehen haben, und überall dieser unwiderstehliche Duft von Macchia, Meer und… gegrilltem Käse.






Schon nach wenigen Minuten grinsten wir beide wie zwei Honigkuchenpferde, frisch verliebt in diesen Ort. Und dann kam der Hunger.
Wir entschieden uns spontan für ein Restaurant mit dem wohlklingenden Namen „Le Bistrot by Via Marine“, ohne große Erwartungen. Und dann das: Wir wurden auf eine versteckte Terrasse hinter dem Restaurant geführt – und der Blick, der sich uns dort bot, war einfach nur „Wow!“ Hafenpanorama, bergige Kulisse im Hintergrund, Sonne im Gesicht, Meeresbrise in der Nase. Man fühlte sich wie in einem Werbespot für „Das gute Leben“.
Die Tische: stilvoll gedeckt.
Die Bedienung: so charmant, dass selbst Stefan freiwillig „Merci“ sagte.
Der Wein: trocken, kalt, perfekt.
Das Essen: eine Offenbarung.
Karin bestellte eine Pizza, die alles hatte, was eine Pizza haben muss – inklusive Teig, der in Deutschland vermutlich als UNESCO-Weltkulturerbe durchgehen würde. Stefan entschied sich für kandierten Schweinebauch mit Kartoffelpüree – eine Kombination, die er sonst nur aus seinen wildesten Träumen kennt. Ergebnis: Sprachlosigkeit. Und das bei Stefan!
Zum Abschluss gab’s noch einen Mojito. Natürlich eisgekühlt, natürlich mit Blick auf den inzwischen beleuchteten Hafen von Calvi. Und während wir dort saßen, leicht angeschickert vom Wein, leicht verzaubert von der Stimmung, dachten wir beide dasselbe – ohne es aussprechen zu müssen:


Wenn das der erste Tag war… wie gut kann dann erst der Rest werden?
Kapitel 3: Kaffee, Käse & Kalorien – Ein Sonntag in Calvi
Sonntagmorgen. Für viele der heilige Tag der Ruhe – für uns: der heilige Tag des Frühstücksbuffets.
Voller Vorfreude machten wir uns auf zum allerersten Frühstück im Hotel „Kasano“. Wir ergatterten ein kleines Tischchen auf der ebenso kleinen Terrasse, schön im Schatten – was auch nötig war, denn die korsische Sonne hatte bereits beschlossen, uns bei über 29 Grad ein Gratis-Saunaprogramm zu bieten.
Das Frühstücksbuffet selbst war nicht gerade die Speisekammer des Eiffelturms, aber absolut charmant. Typisch französisch eben – Qualität vor Quantität. Es gab korsische Wurstspezialitäten, französischen Käse (inklusive Ziege – Karins Freude hielt sich in Grenzen), fluffiges Rührei, gekochte Eier, eine erstaunlich gute Quiche, frisches Obst, Joghurt, Croissants und sogar Kuchen. Ja, Kuchen zum Frühstück – warum auch nicht, wir sind schließlich im Urlaub.
Das erste große Abenteuer des Tages: die Kaffeemaschine.
Ein Gerät, das augenscheinlich aus der Zukunft stammt und sich erst nach längerer Bedienungsanleitung, wilden Knöpfchen-Orgeln und leichten Flüchen von Stefan dazu herabließ, zwei Cappuccinos auszuspucken. Aber hey – köstlich waren sie! Stefan war kurz davor, eine Barista-Karriere in Erwägung zu ziehen. Zumindest für 15 Sekunden.
Nach dem Frühstück war klar: Der Tag wird gemütlich, aber aktiv. Also blieben wir in Calvi und beschlossen, erstmal die Citadelle zu erklimmen – die direkt gegenüber unseres Hotels lag und uns quasi schon seit der Ankunft vorwurfsvoll anschaute: „Na, traut ihr euch rauf?“
Wir trauten uns. Und wir schwitzten. Und zwar ordentlich.
Der Aufstieg bei fast 30 Grad und steilen Gassen ließ unseren Kreislauf in etwa so reagieren wie Stefan auf französischen Ziegenkäse: skeptisch, dann widerwillig, dann erschöpft.
Aber: Der Ausblick!
Ganz Calvi zu unseren Füßen, das Meer glitzernd wie eine Postkarte, und irgendwo da hinten lag sogar unser geparktes Auto – vermutlich mittlerweile auf 60 Grad Innenraumtemperatur.









Wir machten unzählige Fotos, inklusive verschwitzter Selfies mit leicht gequältem, aber dennoch glücklichem Lächeln. Nach einer knappen Stunde traten wir den Abstieg an – sehr bewusst und vorsichtig, denn französische Altstadt-Treppen sind offenbar nicht für deutsche Schuhsohlen gemacht.
Unten angekommen, fiel uns auf: Den Hafen hatten wir bisher nur nachts und von oben gesehen. Also machten wir uns auf den Weg dorthin – und verliebten uns erneut. Segelboote, Cafés, Palmen, entspannte Musik aus irgendwo, und überall dieser Duft nach Salzluft und gegrilltem Irgendwas.
Durstig wie Kamele nach einem Wüstentanz fanden wir schnell ein nettes Restaurant am Wasser. Bierzeit!
Karin bestellte sich ein Panaché (französisch für Radler – klingt aber direkt viel eleganter), Stefan einen halben Liter Bier. Der Preis: 9,- €
Nach einem kurzen, fast religiösen Innehalten („Was kostet das Bier hier?!“), entschieden wir uns, es einfach als Investment in Lebensqualität zu sehen. Und ja, es war verdammt gutes Bier. Wahrscheinlich mit Goldstaub gebraut.
Dazu gab’s einen knackigen Caesar Salad für Karin – natürlich.
Stefan entschied sich für Muscheln – ganz nach dem Motto: Wenn schon Frankreich, dann auch französisch essen.
Karin saß tapfer daneben, bewunderte Stefans Mut (und roch demonstrativ in die andere Richtung).


Kapitel 4: Revolution, Rebellen – und ein Renault Clio
Am dritten Tag unserer Korsika-Reise war es an der Zeit, dem Meer mal den Rücken zu kehren und ins Herz der Insel vorzudringen – nach Corte. Oder wie es bei den Einheimischen heißt: Corti. Die Korsen nehmen das mit der Identität nämlich sehr ernst. So ernst, dass sie bei französischen Straßenschildern regelmäßig zur Spraydose oder, sagen wir mal… handfesteren Methoden greifen.
Kleine Beobachtung am Rande:
Auf 99 % aller Ortsschilder wurde der französische Name entweder übermalt oder gleich durchlöchert. Ja, richtig gelesen – durchschossen.
Die Korsen pflegen offenbar ein ganz eigenes Verhältnis zur Zentralregierung. Schießen scheint hier nicht nur Jagd-, sondern auch Volkssport zu sein. Stefan war spontan begeistert. „Endlich mal Leute mit Prinzipien.“
Mit unserem knallroten Renault Clio – der mittlerweile den liebevollen Spitznamen „le Flitzer“ trug – machten wir uns also auf die kurvige Reise ins Landesinnere. 85 Kilometer – das klingt nach einer netten Vormittagstour. Korsika lacht leise. Denn für diese Strecke braucht man locker eineinhalb Stunden, wenn man die Serpentinen, Ziegen und Kühe am Straßenrand und die obligatorischen Fotostopps mit einrechnet.
Aber die Fahrt!
Schroffe Berge, tiefe Schluchten, dichte Wälder – und zwischendurch immer wieder kleine Dörfer, bei denen man sich fragt, wie um alles in der Welt jemand auf die Idee kam, hier ein Haus hinzubauen. Romantisch? Absolut. Sicher? Hm, sagen wir mal: abenteuerlich.
In Corte angekommen, war klar: Dieser Ort hat Geschichte. Und zwar ordentlich.
Hoch oben auf einem Felsen thront die Zitadelle, darunter erstreckt sich die Altstadt mit ihren engen Gassen, steinernen Häusern und einer Atmosphäre, die irgendwo zwischen Revolutionsmuseum und Dolce Vita liegt.
Der berühmteste Sohn der Stadt: Pascal Paoli – der Chuck Norris der korsischen Geschichte.
Zwischen 1725 und 1807 lebte er, führte 1755 die korsische Guerilla gegen die Genueser an und schaffte es tatsächlich, diese aus dem Landesinneren zu vertreiben.
Dann gab er Korsika auch noch eine demokratische Verfassung – übrigens 11 Jahre vor der amerikanischen –, ernannte Corte zur Hauptstadt und regierte das Ganze mit bemerkenswerter Weitsicht.
Heute steht seine Statue stolz auf dem Marktplatz – mit Blick auf die Touristen, die sich fragen, warum sie nie von ihm gehört haben.
Und als ob das nicht genug wäre:
Napoleons Elternhaus steht auch in Corte. Kein Witz. Zwar wurde der spätere Kaiser nicht hier geboren, aber „Chez Mama & Papa Bonaparte“ waren hier angesiedelt.
Der kleine Napoleon war also quasi schon mit Revolutionsgeist vorbelastet. Man kann sich richtig vorstellen, wie er als Kind mit einem Holzschwert durch die Gassen von Corte rannte, um gegen imaginäre Genueser zu kämpfen. Oder gegen seine Geschwister. Oder gegen das französische Schulsystem. Wer weiß das schon?
Wir bummelten durch die Altstadt, bewunderten die Mischung aus zerfallener Historie und lebendiger Gegenwart, und genossen ein kleines Eis – Revolution hin oder her, bei 30 Grad hat man seine Prioritäten.
Corte war für uns beides: Ein Ort der Geschichte und ein wunderbares Zwischenziel, um das wahre Korsika jenseits der Strände kennenzulernen.










Kapitel 5: Heiße Steine, kalte Drinks – und zurück in die Zivilisation
Nach so viel Geschichte, Revolution und Schweiß in Corte war uns beiden klar: Ein kleiner Zwischenstopp wäre jetzt genau das Richtige – irgendwo, wo man wieder ein bisschen Meeresbrise tanken und sich der Zivilisation annähern konnte. Und was wäre da besser als ein Abstecher in die traumhafte Hafenstadt L’Île-Rousse?
Also: Fenster runter, Clio an, Kühlung auf Anschlag – und ab durch die Berglandschaft Richtung Nordwestküste. 35 Grad im Schatten, und Schatten gab’s nicht.
Als wir in L’Île-Rousse ankamen, war das erste Gefühl: Wow!
Das zweite: Heiß.
Das dritte: UNGLAUBLICH heiß.
Aber L’Île-Rousse war jede Schweißperle wert. Eine wunderschöne, lebendige Stadt direkt am Meer, mit einer dieser Strandpromenaden zum Verlieben. Palmen, Eisverkäufer, das Glitzern des Mittelmeers und diese salzige Brise, die wie ein Hauch Erbarmen durch die Gassen wehte. Die Altstadt war wie aus einem Bildband: kleine Boutiquen, schattige Plätze, Bars mit Sofas draußen – alles irgendwie entspannt, stilvoll, mediterran.
Man hätte dort Stunden verbringen können.
Wir blieben anderthalb.
Denn so sehr uns der Ort auch gefiel – unser Kreislauf sagte irgendwann ganz entschieden:
„Wenn ihr jetzt nicht bald duscht, riecht ihr beide wie ein korsischer Ziegenkäse.“







Also schleppte sich das inzwischen etwas angeschmolzene Duo Stefan und Karin zurück zum rotglänzenden, klimatisierten Renault Clio, der uns an diesem Tag schon fast väterlich in seine kühlen Sitze aufnahm. 30 Minuten Heimfahrt zurück nach Calvi – bei angenehmen 21 Grad Klimaanlage. Selten war Autofahren so schön.
Im Hotel angekommen, gab’s nur ein Ziel: Dusche.
Kalt. Sofort. Und lange.
Danach noch ein kleines Gläschen auf dem Balkon, ein kurzer Blick auf das Meer, das sich jetzt ruhig und glänzend unter den letzten Sonnenstrahlen ausstreckte – und wir waren uns einig:
So kann ein Urlaubstag zu Ende gehen.
Mit Geschichte, Hitze, Hafenromantik – und der Erkenntnis, dass man für gute Laune, schöne Orte und kalte Duschen keine fünf Sterne braucht. Nur einen roten Clio und ein bisschen Abenteuerlust.
Kapitel 6: Von Tablets, Turbulenzen – und der Rückflug ins echte Leben (per Auto)
Der Abend begann eigentlich ganz harmlos. Wir waren frisch geduscht, leicht sonnenverbrannt, glücklich gesättigt und bereit für ein bisschen Entspannung auf dem Hotelzimmer. Also dachten wir uns: „Warum nicht einen kleinen Filmabend einlegen?“ – romantisch, mit Meeresrauschen im Hintergrund und einer Tüte Minibrezeln aus Karins Koffer, die seit Tag 1 hartnäckig auf ihren Einsatz wartete.
Der Plan: Netflix & Chill.
Die Realität: „Wo ist eigentlich das Tablet?“
Karin durchwühlte ihre Tasche. Dann den Koffer. Dann die Badetasche. Dann – in wachsender Panik – den Clio. Nichts. Stefan, der gerade dabei war, den perfekten WLAN-Zugang herzustellen (mit dem Gesicht auf dem Balkon stehend, das Tablet imaginär in der Hand), fragte nur lapidar:
„Na, wo hast du’s denn hingelegt?“
Karin blieb stehen. Blinzelte. Und sagte dann einen Satz, der alles veränderte:
„Ich glaube… ich hab’s im Flugzeug liegen lassen.“
Stille. Dann:
„WAS?!“
Jetzt war klar: Der Abend wurde kein entspannter Filmabend, …..sondern ein Roadtrip am nächsten Morgen. Ein Roadtrip zurück in die Vergangenheit – oder genauer gesagt: zurück nach Bastia. 113 Kilometer. Drei Stunden Autofahrt. Ein französisches Abenteuer.
Stefan, innerlich irgendwo zwischen „Ich hab’s dir doch gesagt“ und „Na super, jetzt fahren wir wirklich wegen einem iPad durch ganz Korsika“, packte grummelnd den Autoschlüssel.
Karin hingegen war fest entschlossen, die Mission Tablet-Rettung zu einem Erfolg zu machen – notfalls mit französischem Charme, Händen und Füßen oder Bestechungsgeld in Form von deutschen Gummibärchen.
Also: Aufbruch gen Osten, bei durchwachsenem Wetter, in „le Flitzer“.
Und was soll man sagen? Auch auf der Rückfahrt ist Korsika wunderschön. Kurvenreiche Straßen, tolle Felsen, das gelegentliche „Boah!“ von Stefan (diesmal nicht über die Landschaft, sondern über entgegenkommende Motorradfahrer in Schräglage) – es war wie eine Bergetappe bei der Tour de France, nur ohne Fahrrad und mit emotionalem Ballast im Kofferraum.
In Bastia angekommen, folgte die nächste Challenge: Der Flughafen.
Wer glaubt, dass ein französischer Regionalflughafen ein gemütlicher Ort sei, hat noch nie versucht, dort ein verlorenes Tablet aufzuspüren.
Aber – Trommelwirbel – die Franzosen überraschten uns erneut.
Ein freundliche Mitarbeiterin vom Lost-&-Found-Schalter (Typ: „leicht übermüdet, genervt, aber sehr hilfsbereit“) fand tatsächlich Karins Tablet! Unglaublich, aber wahr!
Es lag da. Unversehrt. Und Madame musste es nur noch mit dem Code entsperren, um die Zugehörigkeit zu Madame „ich hab das Tablet im Flugzeug liegen lassen“ zu beweisen.
Karins Gesichtsausdruck bei der Rückgabe: Mischung aus Erleichterung, Dankbarkeit und dem stummen Versprechen, beim nächsten Flug ALLES mindestens dreifach zu kontrollieren.
Stefan war… nun ja… er war einfach nur froh, dass das Ganze nicht auch noch eine Stadtbesichtigung in Bastia bedeutete.
Weil wir nun schon mal da waren, beschlossen wir, Bastia nicht einfach links liegen zu lassen. Und siehe da – es lohnte sich!
Bastia als Sightseeingtour:
Lebendig, charmant, irgendwie mediterran-urban mit einem Touch „alt trifft neu“. Der Hafen leuchtete, die Boote schaukelten sanft, ein paar Lokale und Restaurants hatten noch offen, und über allem lag dieser leichte Geruch von Meer, Fisch, Roséwein – und französischem Leben.
Es war… schön.
Fast schon romantisch.
Stefan gab sogar zu: „Bastia ist gar nicht mal so schlecht.“ (Was in seiner Welt ungefähr dem deutschen Äquivalent von „Ich liebe es!“ gleichkommt.)
Wir gönnten uns ein Getränk auf einer kleinen Terrasse mit Blick auf das Hafenbecken – Stefan ein Bier (diesmal nur 6,- €, was ihn fast zu Tränen rührte), Karin einen Pornstar (ja ihr habt richtig gelesen, das Zeugs heißt wirklich so) Martini, weil: verdient.






Der Rückweg nach Calvi fühlte sich an wie eine Mischung aus Aftershow-Party und ertrinken auf offener Straße. Irgendwann gegen 6 Uhr abends fielen wir müde, aber zufrieden ins Bett – das Tablet lag nun demonstrativ auf dem Nachttisch, als stiller Zeuge eines Abends, der mal wieder ganz anders lief als geplant.
Und während draußen die Wellen an die Küste rauschten, dachten wir beide dasselbe – ohne es auszusprechen:
„Manchmal sind die besten Geschichten die, die du dir nicht ausdenken kannst.“
Kapitel 7: Porto – oder: Wenn man denkt, jetzt kommt Monaco… und dann kommt Porto.

Am nächsten Morgen saßen wir wieder im Auto – der tapfere kleine Clio, vollgetankt, Karin mit Sonnenhut bewaffnet, Stefan mit seiner unverwechselbaren „Fahr-mich-nicht-an“-Miene. Ziel: Porto, an der Westküste. „Klingt doch edel, oder?“, meinte Karin. Stefan nickte, dachte aber schon ans Parken.
Die Fahrt dorthin war wieder typisch korsisch: 60 Kilometer, drei Stunden Kurven, null Sekunden Langeweile. Links Abgrund, rechts Felswand, zwischendrin Ziegen, die offenbar dachten, die Straße sei ihr Wohnzimmer. Karin kommentierte das mit einem „Oh schau, wie süß!“, während Stefan nur murmelte: „Wenn die mir die Stoßstange anknabbern, war’s das mit süß.“
Ankunft in Porto
Und dann – Tadaaa – Porto!
Na ja… das Porto.
Nicht zu verwechseln mit dem portugiesischen Namensvetter voller Wein und Altstadtcharme. Dieses Porto hat: ein paar Häuser, ein paar Touristen, und eine Straße, die ungefähr so eng ist wie Stefans Geduldsfaden nach der dritten Umleitung.
Karin meinte begeistert: „Aber schau doch mal, der Hafen – sooo schön!“
Stefan, skeptisch: „Das da? Das ist ein Parkplatz mit Booten.“
Aber dann…
Porto Marina – das eigentliche Highlight
Wir liefen zum Hafen, und plötzlich war klar: Da geht was!
Die Sonne brannte, das Meer glitzerte, und hinter den Booten türmten sich diese gewaltigen, rostrot schimmernden Felsen auf – so, als hätte jemand riesige Felsenwürfel in die Landschaft gestreut und gesagt: „Passt schon.“
Karin war hin und weg. „Siehst du die Farben?! Unglaublich!“
Stefan: „Ja, seh ich. Fahr bloß nicht dagegen.“
Karin: „Ich geh zu Fuß.“
Stefan: „Noch schlimmer.“










Wir setzten uns schließlich in ein kleines Café am Hafen, direkt neben einer Gruppe Italiener, die lautstark über die richtige Reihenfolge von Wein und Espresso diskutierten. Karin bestellte „etwas Kaltes mit Zitrone“, Stefan „etwas Kaltes ohne Diskussion“.
Und dann kam dieser Moment – man schaut aufs Meer, die Felsen, die Boote, und denkt: Ja. Genau deswegen sind wir hier.
Fazit des Tages
Porto selbst?
Ein bisschen verschlafen, ein bisschen verbeult, aber irgendwie charmant.
Porto Marina?
Ein echter Hingucker, besonders im Abendlicht – diese Felsen!
Stefan nannte sie „die Dinger, an denen sich Schiffe den Lack ruinieren“, Karin nannte sie „Naturkunstwerke“.
Und als die Sonne hinter den Klippen verschwand, sagte Stefan nach langem Schweigen:
„Na gut… das war jetzt doch ganz schön.“
Karin grinste. „Hab ich doch gesagt.“
Und irgendwo hinter den Bergen meckerte eine Ziege zustimmend. 🐐
Kapitel 8: Nonza – Schwarzer Strand, weiße Waden und 1100 Stufen zum Glück

Nach einer ruhigen Nacht in Calvi (naja, ruhig – wenn man das Konzert der Zikaden mitzählt) hieß es am nächsten Morgen: Ab in den Norden!
Ziel: Nonza.
Karin hatte schon auf der Karte entdeckt: „Schau mal, da gibt’s einen schwarzen Strand!“
Stefan runzelte die Stirn. „Schwarz? Also… wie? Vulkanisch? Ölunfall? Oder einfach zu faul zum Fegen?“
Die Fahrt dorthin – wieder einmal typisch korsisch. Enge Straßen, scharfe Kurven, grandiose Ausblicke – und natürlich der allgegenwärtige Geruch von heißen Bremsen. Aber die Landschaft wurde immer wilder, das Meer immer blauer, und plötzlich lag da dieses kleine Dorf wie angeklebt am Felsen: Nonza.
Erster Eindruck: Postkartenmotiv mit Höhenangst
Wir parkten (nach dreimaligem Wenden und einem Nervenzusammenbruch Stefans) auf einem winzigen Platz oberhalb des Ortes. Von dort aus: eine Aussicht, die einem kurz den Atem raubt – und das nicht nur wegen der 35 Grad im Schatten.
Tief unter uns: der berühmte schwarze Strand von Nonza, geheimnisvoll schimmernd wie Espresso mit Meersalz.
Karin stand da mit offenem Mund.
„Wow! Siehst du das? Das ist ja unglaublich!“
Stefan nickte. „Ja. Und da unten willst du jetzt… runter?“
Karin strahlte. „Natürlich! Es gibt eine Treppe!“
Stefan stöhnte. „Es gibt auch Autos. Nur halt nicht hier.“ Die Treppe ließen wir dann doch ungenutzt liegen, denn nach einem Abstieg folgt auch wieder ein Auftstieg….ne echt nicht bei 35 Grad!






Bar mit Aussicht – die Belohnung
Aber oben wartete die beste Motivation überhaupt: eine kleine Bar, 150 Meter über dem Strand, mit Blick über das Meer, eiskaltem Bier und dem Gefühl, gerade etwas ziemlich Großes geschafft zu haben.







Karin nippte an ihrem Cocktail, Stefan an seinem Bier – und beide grinsten.
„Einer der schönsten Orte auf Korsika“, sagte Karin.
Stefan nickte. „Und mit Abstand der anstrengendste.“
Fazit des Tages
Nonza hat alles, was das Korsika-Herz begehrt:
☀️ Sonne,
🌊 Meer,
🏝️ einen spektakulären schwarzen Strand,
🥾 und mehr Stufen als das Fitnessstudio zuhause.
Ein Ort, der einen zum Staunen bringt – und zum Schwitzen.
Und als wir abends auf der Terrasse saßen und den Sonnenuntergang sahen, wussten wir:
Das war ein Tag, den wir nicht so schnell vergessen.
Kapitel 9: Saint-Florent – das St. Tropez der Korsen (nur mit mehr Wind und weniger Aufpreis)
Nachdem wir uns in Nonza von der Treppe und der eigenen Kondition überrascht hatten – sagen wir so: die Knie waren noch da, nur nicht ganz überzeugt – machten wir uns am Nachmittag auf den Rückweg Richtung Calvi. Doch einfach direkt zurückfahren wäre schließlich langweilig gewesen. Also: kurzer Umweg nach Saint-Florent.
Schon die Anfahrt offenbarte, dass dieser Ort einen gewissen Anspruch hegt. Bucht, Weinberge, sanfte Hügel – und in der Ferne ein Yachthafen, der aussah, als läge hier im Sommer halb Paris vor Anker. Manche nennen Saint-Florent das „St. Tropez der Korsen“. Stefan meinte dazu: „Gut, solange die Preise nicht auch St. Tropez sind.“ Karin stellte klar: „Wir schauen ja nur. Gucken kostet nichts.“ (Das sollte später diskutiert werden.)
Ankunft im Windkanal
Saint-Florent begrüßte uns mit einer ordentlichen Brise. Nicht einfach nur Wind – sondern Wind mit Überzeugung. Der Mistral, der hier gerne mal vorbeischaut, hatte offenbar beschlossen, heute volle Schubkraft zu geben. Karins Hut machte zwei Fluchtversuche, Stefan rechnete aus, wie weit er fliegen würde, falls man sich zu nah an die Kaimauer stellte.
Am Hafen selbst lagen elegante Yachten nebeneinander wie in Formation. Glänzend polierte Decks, Uniformhemden, Sonnenbrillen, die aussahen, als gehörten sie eigentlich auf Filmplakate. Wir spazierten entlang, ließen uns treiben – und mussten dabei konstant die Haare aus dem Gesicht wischen. „Das ist Seeluft“, sagte Karin. „Das ist Windkanaltraining“, sagte Stefan.
Durch die Gassen von Saint-Florent
Nur ein paar Schritte weiter löste sich der Hafen in ein Netz aus kleinen Gassen auf: schmale, steinige Wege, Hausfassaden in mediterranen Farbtönen, und an jeder Ecke kleine Restaurants mit drei Tischen draußen, karierten Tischdecken und Weingläsern, die im Wind klirrten wie Kirchenglocken im Miniaturformat.
Die Atmosphäre war gelassen, freundlich – eine Mischung aus Fischerdorf, Süden und ganz leichtem Glamour, aber ohne aufdringlich zu werden. Hier konnte man sitzen, schauen und einfach ankommen. Karin verliebte sich sofort. Stefan musste zumindest zugeben: „Das hat Stil.“







Rückfahrt nach Calvi – hungrig und glücklich
Als die Sonne langsam tiefer sank, fuhren wir zurück nach Calvi. Die Landschaft wurde weich, goldener Abendhimmel über dem Meer, der Wind legte sich – und wir kamen genau rechtzeitig an, um unser inzwischen fest etabliertes Ritual zu pflegen: Abendessen in unserem Lieblingsrestaurant.
Drinnen roch es nach Kräutern, Knoblauch, Rotwein und Ofenwärme. So riecht Urlaub, der gelungen ist.
Karin bestellte Cannelloni (ebenfalls ein korsisches Nationalgericht), gefüllt, cremig, zart, und mit einer Tomatensauce, die eindeutig von jemandem gekocht wurde, der das Wort „Hektik“ nicht kennt.
Stefan entschied sich für Wildschweingulasch. Und nicht irgendeinen: dieser hier war tief, dunkel, herzhaft, Rotwein, Wacholder, Zeit, Geduld – und vermutlich einer jener korsischen Eber, die früher auf den Straßen spazieren und Autos ignorieren. Stefan war jedenfalls begeistert. „Das ist kein Essen. Das ist ein Statement.“
Als das Essen kam, wurde es still. Sehr still. Nur ab und zu ein zufriedenes Nicken, ein gelegentlicher Blick, der sagte: Genau so muss Urlaub schmecken.



Tagesfazit
Saint-Florent: elegant, windig, warmherzig.
Der Hafen: zum Staunen.
Die Gassen: zum Verlieben.
Der Wind: zum Nachfrisieren.
Das Essen in Calvi: zum Niederknien.
Und am Ende des Abends saßen wir wieder auf unserem Balkon, blickten in die korsische Nacht und dachten beide dasselbe, ohne es auszusprechen:
So soll ein Reisetag sein.
Kapitel 10: Speloncato, Sant’Antonino, Pigna – oder: Die große Tour der steinernen Labyrinthe

Am nächsten Morgen fühlten sich unsere Beine noch leicht beleidigt von den vielen Stufen in Nonza an. Doch wir beschlossen einstimmig (Karin enthusiastisch, Stefan moderat zustimmend): Heute wird wieder gefahren, nicht gewandert.
Unser Ziel: Speloncato.
Eines der ältesten Dörfer Korsikas. Hoch oben, 500 Meter über dem Meer, auf einem Felsen festgeklammert wie eine Bergziege, die keinen Absturz kennt. Das Navi behauptete: „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, aber das sagte es bereits drei Haarnadelkurven vorher. Es log!
Als wir endlich ankamen, standen wir vor einem Dorf, das aussah, als habe es der Wind seit 800 Jahren geformt. Enge Gassen, uralte Steinhäuser, Treppen, Bögen, Durchgänge, bei denen man sich sicher ist: Hier hat schon jemand vor 600 Jahren denselben Kopf angehauen wie wir.
Die Aussicht war allerdings überwältigend. Man sah über Hügel und Täler, über Olivenhaine und kleine weiße Dörfer, bis hinunter zur Küste, wo das Meer blinkte wie eine frisch polierte Sonnenbrille. Karin stand still, lächelte und sog die Luft ein.
Stefan nickte. Dann sagte er den Satz, mit dem er seiner Liebe zur Landschaft Ausdruck verleiht:
„Hier könnte ich sitzen.“









Weit sehen heißt nicht schnell erreichen
Von dort oben erblickten wir Sant’Antonino.
In Sichtweite.
Zum Greifen nah.
Man hätte fast rüberrufen können: „Wir kommen gleich!“

Das Navi jedoch erklärte: 30 Minuten Fahrzeit.
Das klingt nach Umweg.
Es war einer.

Straßen in Korsika folgen keinem geometrischen Prinzip. Sie folgen dem Prinzip: „Wir schauen mal, wo wir vorbeikommen.“ Also fuhren wir Serpentine um Serpentine, bis wir nochmals oben in einem Dorf standen, das verdächtig aussah wie das, aus dem wir gerade gekommen waren: Steinhäuser, enge Gassen, alte Mauern, und ein Café, in dem fünf Männer saßen, die nicht sprechen mussten, weil sie bereits alles wussten.
Auch Sant’Antonino war schön. Wirklich schön.
Aber nach Speloncato war klar: Wir haben das Original schon gesehen.
Stefan nannte es: „Speloncato in abgespeckt.“
Karin nannte es: „Charmant, aber etwas weniger Drama.“



Zwischenstation: Die Anhalterin
Auf dem Weg zum nächsten Dorf, Pigna, nahmen wir eine Anhalterin mit, was auf Korsika eine Frage der Ehre ist. Eine ältere Dame mit Stofftasche und enormer Energie. Ihr Auto sei in der Werkstatt, sagte sie, und sie müsse dringend weiter. Wohin? Nach Pigna, passt.
Kaum saß sie im Auto, begann sie zu reden.
Nicht wie jemand, der ein Gespräch sucht.
Mehr wie jemand, der seit sechs Tagen keinen Gesprächspartner hatte und jetzt alles auf einmal nachholt.
Über ihre Familie, ihre Nachbarn, ihre Katze, die vermutlich Bürgermeister des Dorfes ist.
Die Fahrt dauerte viele Minuten.
Sie sprach die gesamten vielen Minuten (in einer Mischung aus englisch und französisch – irgendwie goldig, die Dame).
Wir nickten.
Sie versuchte sich anzuschnallen, verfehlte den Gurt, lachte, redete weiter, verfehlte den Gurt erneut.
Wir beschlossen einstimmig: Wir fahren langsam.
Als wir ankamen, winkte sie fröhlich und verschwand zwischen Olivenbäumen, als hätte man eine Feder in den Wind geworfen.
Pigna – der Künstlerort (angeblich)
Pigna war unser letzter Halt. Ein Ort, berühmt für Kunsthandwerk, Keramik, Ateliers.
Wir stiegen aus, bereit für Inspiration, vielleicht etwas Handgemachtes, ein bisschen mediterrane Kunstseele.
Wir fanden:
Drei geschlossene Werkstätten.
Zwei Künstler, die offenbar Pause seit 1998 machten.
Und eine Tür mit dem Schild „Atelier“ – dahinter ein Lagerraum mit Kartons.
Karin blickte suchend in jede Gasse.
Stefan fasste sachlich zusammen: „Vielleicht ist Kunst hier ein Konzept.“
Nach ein paar Runden durch das Dorf stellten wir fest:
Pigna ist hübsch.
Aber künstlerisch ungefähr so aktiv wie ein Sonntag um 14 Uhr nach dem Mittagessen.












Tagesbilanz
Speloncato: Großartig. Alt. Erhaben. Und mit Blicken, die Postkarten beleidigend wirken lassen.
Sant’Antonino: Schön, aber Speloncato hatte den besseren ersten Eindruck.
Die Anhalterin: Ein Erlebnis.
Pigna: Hübsch – aber wenig Kunst. Vielleicht hatten die Künstler gerade Siesta. Oder Jahresurlaub. Oder Lebensurlaub.
Zurück im Auto lachten wir. Genau so sollen Reisetage sein: ein bisschen schön, ein bisschen seltsam, und mit Geschichten, die man nicht erfindet.
Notre-Dame de la Serra – die Kirche mit dem besten Logenplatz der Insel
Nach unserem Tagesausflug in die steinernen Labyrinthe Speloncato, Sant’Antonino und Pigna (mit Anhalterin im Turbomodus) beschlossen wir am Abend, dass wir den Tag würdig ausklingen lassen mussten. Also fuhren wir hinauf zur Notre-Dame de la Serra, einer winzigen Kapelle, die sich oberhalb von Calvi an den Hang klammert – und dabei einen Blick bietet, den man eigentlich in Gold wiegen müsste.
Die Straße dorthin war, wie so viele korsische Straßen, wieder eine Mischung aus:
leicht zu schmal, gerade eben befestigt, und an entscheidenden Stellen ausgerechnet so kurvig, dass man die Hoffnung auf Gegenverkehr einfach aufgegeben hat. Stefan fuhr mit konzentriertem Blick, beide Hände am Lenkrad, die klassische „Jetzt bitte keine Überraschung“-Haltung. Karin kommentierte die Aussicht, als sei sie Tourguide in einem Panorama-Bus.
Oben angekommen standen wir vor einer kleinen, unscheinbaren Kapelle aus hellem Stein. Kein Prunk, keine großen Türen, kein Besucherzentrum mit Audioguide. Nur Kirche, Himmel, Wind, und die korsische Landschaft, die sich darunter ausbreitet, als hätte die Welt sich an diesem Abend besonders Mühe gegeben.
Wir gingen ein paar Schritte nach vorne und schauten hinab auf Calvi, die Bucht, den Hafen, das Meer. Die Sonne senkte sich langsam, als wolle sie selbst nochmal alles betrachten, bevor sie Feierabend macht. Die Zitadelle von Calvi lag da wie eine Bühne, die Stadt darunter wie ein Bühnenbild, und wir waren die einzigen Zuschauer einer Vorstellung, die man nicht kaufen kann.








An einer Mauer waren unzählige Gedenksteine und Fotos zu Ehren Verstorbener abgelegt, was zu dieser ganz besonderen Stimmung beitrug.
Die Statue der Madonna dort oben wirkt, als würde sie über alles wachen: das Meer, die Stadt, die Menschen, die Reisenden, die sich verlaufen haben, und jene, die gerade zum ersten Mal wirklich verstehen, warum Berge und Meer zusammen eine solche Kraft haben.
Kapitel 11: Aléria – oder: Für diese Aussicht hätten wir auch daheim duschen können

Am nächsten Morgen beschlossen wir, der Insel einmal die andere Seite abzugewinnen – die Ostküste.
Ziel: Aléria.
Karin sagte: „Das wird schön, da waren früher die Römer!“
Stefan dachte: „Wenn die Römer weggelaufen sind, hatten sie vermutlich Gründe.“
Die Fahrt dauerte 2,5 Stunden. Das ist auf Korsika ungefähr so, als würde man sagen: „Ach, wir fahren mal eben schnell über die Alpen.“ Die Straße zog sich endlos geradeaus, ohne die dramatischen Kurven, die wir inzwischen fast schon liebgewonnen hatten. Statt Felsen und Meer: flache Ebenen, Plantagen, Macchia, hier und da ein Gehöft, das aussah, als seien die Fenster schon seit zwei Sommern geschlossen.
„Ich glaube,“ sagte Karin irgendwann nach der fünften geraden Straße, „wir haben uns in eine Parallelwelt gefahren.“
Stefan nickte. „Die Westküste hat Drama. Die Ostküste hat… Straßen.“
Der Strand von Aléria – freundlich, weit, windig
Endlich erreichten wir den Strand. Und ja, er war nett. Breit, ruhig, sanft abfallend, mit hellem Sand.
Keine dramatischen Felsen, keine filmreifen Klippen – eher das solide „Familienurlaub mit Strandmuschel“-Modell. Dafür aber ein wirklich tolles Strandlokal, direkt am Wasser, mit Holzveranda und Blick auf das Meer.
Der Kellner kam lächelnd auf uns zu und sagte auf perfektem Deutsch:
„Na, ihr seid aus Deutschland? Willst ihr Fisch? Oder lieber was Warmes?“
Stefan sah ihn an, als hätte er gerade einen entfernten Cousin gefunden.
Karin bestellte sofort (natürlich KEINEN Fisch!). Urlaubssynchronität auf höchstem Niveau.
Wir setzten uns an einen Tisch, die Füße fast im Sand, und ließen die Zehen kurz im Wasser verschwinden. Es entstanden diese Art von Urlaubsfotos, die später in WhatsApp-Gruppen kommentiert werden mit:
„Ach schööön.“
„So entspannend!“
„Wo seid ihr genau?“
Nur dass wir zu diesem Zeitpunkt schon wussten: Wir würden diese Strecke nicht nochmal fahren.





Der Vorfall mit der Fontäne
Vor dem Lokal lag die Straße – und daneben ein Wasserrohr, das offenbar beschlossen hatte, seinen Ruhestand anzumelden.
Denn plötzlich schoss dort eine Fontäne aus Wasser und Dreck in 5 Meter Höhe, wie ein schlecht gelaunter Geysir, der beschlossen hatte, seinen ersten Arbeitstag mit Drama zu beginnen.

Autos bremsten, Menschen blieben stehen, ein Hund wirkte beleidigt.
Wir mussten durch.
Stefan fuhr im Schritttempo, Karin hielt den Atem an – und der Clio sah danach aus, als hätte er sich für eine Tonmaske im Spa entschieden.
Naturkosmetik mit mineralischer Tiefenwirkung, gratis.
Fazit der Expedition Ostküste
Der Strand: angenehm.
Das Lokal: sehr gut.
Der Kellner: Held des Tages.
Das Wasserrohr: unberechenbar.
Die Fotos mit den Füßen im Wasser: für das Fotoalbum geeignet.
Aber:
Die Ostküste hat nicht das, was die Westküste fast mühelos bietet:
Dramatik, Fels, wildes Meer, Landschaft mit Ausrufezeichen.
Oder wie Stefan es formulierte, während er auf der Rückfahrt schweigend in die untergehende Sonne sah:
„Das hier macht man einmal. Und dann weiß man es besser.“
Karin lachte. „Dann bleiben wir bei der Westseite.“
Und die beiden waren sich einig wie selten.
Kapitel 12: Ajaccio – Freundetreffen in der Hauptstadt (und die Zitadelle, die sich nicht die Mühe machte)
Am nächsten Morgen war klar: Heute wird kein kleiner Ausflug. Heute wird gefahren.
Und zwar Richtung Süden nach Ajaccio, die Hauptstadt Korsikas.
Karin freute sich, denn wir würden dort Gisy und Patrick treffen, die zufällig mit der Mein Schiff Relax im Hafen lagen. Stefan dagegen studierte die Route. „Über 3 Stunden“, sagte er, „eine Richtung.“
Karin antwortete mit diesem Satz, der schon ganze Reisewege entschieden hat: „Aber es lohnt sich.“
Also los.

Die Straße nach Süden war lang. Sehr lang.
Wir fuhren durch Täler, über Hügel, um Kurven, um noch mehr Kurven und dann um Kurven, von denen man dachte, man sei ihnen bereits entkommen. Korsika ist ein Gebirge im Meer – was romantisch klingt, aber bedeutet: Kein Weg hier ist einfach „geradeaus“.
Karin hielt Ausschau nach Meerblicken.
Stefan hielt Ausschau nach Gegenverkehr.
Der Clio tat, was er am besten kann: durchhalten.
Ankunft in Ajaccio – und das Wiedersehen
Als wir Ajaccio erreichten, empfing uns eine lebendige, helle Stadt. Palmen, Boulevards, Menschen, Cafés – ein bisschen „Süden“, ein bisschen „Hafen“, ein bisschen „Hier hat Napoleon im Sandkasten gespielt“.
Im Hafen lag die Mein Schiff Relax, groß, blau, glänzend – und am Geländer winkten bereits Gisy und Patrick, als hätten sie uns aus dem Ausguck eines Walfängers frühzeitig gesichtet.
Das Wiedersehen war herzlich, laut, mit Lachen und Reden in allen Richtungen gleichzeitig. Es war einer dieser Momente, die zeigen: Freunde unterwegs zu treffen ist nicht Urlaub plus – es ist etwas Eigenes.




Gemeinsam schlenderten wir durch Ajaccio.
Breite Straßen, alte Häuser, kleine Plätze, Cafés mit wackligen Stühlen – und immer dieses Licht, das vom Meer zurückgeworfen wird.
Alles wirkte ein bisschen mondän – auf korsische Art.
Leicht, warm, lebendig.
Die Zitadelle – und wie sie uns nichts zu sagen hatte
Natürlich wollten wir auch diese Zitadelle sehen. Schließlich Hauptstadt, Hafen, Geschichte und so weiter. Man erwartet etwas.
Zum Beispiel: Mauern, Geschichte, Pforten, Ausblick, Atmosphäre.
Was wir bekamen:
Eine Zitadelle, die wirkte wie ein Grundstück, auf dem seit 20 Jahren niemand weiß, wer zuständig ist.
Keine Tore, keine Tafeln, keine Wege, keine Erklärungen.
Stefan stand davor, sah das Ganze lange an, und sagte schließlich:
„Also… das ist es jetzt?“
Karin nickte langsam.
Gisy sagte: „Vielleicht sieht man’s besser vom Meer.“
Patrick nickte. „Oder gar nicht.“
Wir beschlossen: Ajaccio selbst ist schön – die Zitadelle tut so, als hätte sie es nicht nötig.

















Abschied am Hafen
Als der Abend kam, gingen wir zurück zum Hafen. Die Mein Schiff Relax funkelte im Abendlicht, wie ein sehr großes, sehr gemütliches Wohnzimmer, das einfach losfahren kann.
Wir standen am Kai, winkten Gisy und Patrick nach, während das Schiff langsam drehte, die Leinen löste und aus dem Hafen glitt.
Und plötzlich – ein kurzer Augenblick – dachten wir:
Wir wären jetzt auch gern einfach mitgefahren.
Weiter. Ins offene Meer. Ohne Serpentinen. Ohne Rückfahrt.
Aber wir hatten den Clio.
Und Calvi wartete.
Und drei Stunden Straße, die sich genauso anfühlten wie vorher – nur dunkler, stiller und mit einem kleinen Stich Wehmut.
Karin sah aus dem Fenster.
Stefan fuhr.
Beide wussten:
Manche Reisetage sind schön.
Dieser war schön und ein bisschen bittersüß.
Und genau deshalb bleibt er.
Das große Asia-Desaster von Calvi
Nach dem langen Tag in Ajaccio, der herzlichen Begegnung mit Gisy und Patrick und der abendlichen Rückfahrt, waren wir abends zwar müde – aber hungrig. Und irgendwann kam der Satz, der schon viele Urlaubsentscheidungen geprägt hat:
„Wir könnten ja mal etwas anderes essen.“
In Calvi bedeutet das: nicht korsisch, nicht italienisch, sondern asiatisch. Wir fanden tatsächlich ein Restaurant, das „Asia Fusion“ versprach. Der Begriff „Fusion“ sollte sich später als prophetisch erweisen, denn vieles war hier zusammengeführt: vor allem Erwartungen und Realität, nur leider ohne Verbindung dazwischen.
Wir bestellten.
Stefan: Kandierte Rindfleischstreifen.
Karin: Asiatische Teigtaschen.
Das klang solide. Auf der Karte zumindest.
Als das Essen kam, war der erste Eindruck: Man müsse genauer hinschauen.
Sehr viel genauer.
Stefans Teller war eine optische Studie in Minimalismus. Drei Streifen Rind, sorgfältig in der Mitte des Tellers platziert, umgeben von viel, sehr viel weißem Porzellan. Keine Beilage, keine Dekoration – bis auf ein Hornveilchen, nichts, was man als „Sättigung“ bezeichnen könnte.
Karin bekam sechs kleine Teigtaschen. Das war es.
Stefan hob die Gabel und sagte den Satz, der unausweichlich war:
„Dafür will ich jetzt eine Erklärung.“
Er fragte den Kellner auf Englisch, ob das ernst gemeint sei.
Der Kellner, der vor zehn Minuten noch fließend Englisch gesprochen hatte, verlor plötzlich sämtliche Sprachkenntnisse bis hin zu Gestik und Mimik.
Ein vollständiger Kommunikationsreset.
Man hätte ihm genauso gut eine Steuererklärung vorlegen können.
Wir sahen uns an.
Das war kein kulinarisches Erlebnis.
Das war ein pädagogischer Hinweis: Wer in Korsika asiatisch essen geht, ist selbst schuld.
Stefan legte das Besteck ab und fasste den Abend in einem Satz zusammen:
„Das war ein Schuss in den Ofen.“





Rettung in letzter Minute
Wir standen wieder draußen. Hungrig. Enttäuscht. Und leicht belustigt über uns selbst und um 50 Euro ärmer.
Zum Glück gibt es in Calvi diese kleinen Straßenstände, die alles retten können, was ein Restaurant ruiniert:
Baguettes mit geschmolzenem Käse.
Der Käse war heiß, das Brot knusprig, und nach dem ersten Bissen war der Abend wieder repariert.
Manchmal braucht Glück keine große Küche.
Nur Brot. Und Käse. Und die Einsicht, dass man ab morgen wieder korsisch isst.
Kapitel 13: Bonifacio – Das große Finale (mit Yacht, Aussicht und Bett zum Vergessen)
Am nächsten Morgen wussten wir: Das wird die letzte große Tour unserer Reise.
Das Ziel war nicht irgendein Ort – es war Bonifacio, die südlichste Stadt Korsikas, das Postkartenmotiv, das man nicht erklären muss.
Das Navi versprach lässig:
„3,5 Stunden Fahrt.“
Wir lachten kurz.
Am Ende wurden es 5,5 Stunden.
Korsika bleibt sich treu: spektakulär, aber nicht schnell.

Die Fahrt war abwechslungsreich:
Berge, Täler, Strände, Wälder, Sonne – und die unerschütterliche Überzeugung, dass jede Straße auf dieser Insel nur aus Kurven besteht. Karin – mit eingeworfener Reisetablette – bewunderte die Landschaft, Stefan bewunderte die Fahrphysik des Clios. Beide waren am Ende gleichermaßen beeindruckt.
Bonifacio – Ankunft zwischen Kreidefelsen und Superyachten
Bonifacio liegt dramatisch am Rand hoher weißer Kreideklippen, so als hätte die Natur beschlossen, hier ein einziges großes Ausrufezeichen zu setzen.
Der Hafen selbst wirkt wie eine Bühne, auf der Boote und Menschen in perfektem Sonnenlicht arrangiert sind.
Und direkt vor unserer Nase lag sie:
Die Superyacht „Come Together“.
60 Meter lang.
Über 70 Millionen Dollar.
Ein schwimmendes Privathotel mit mehr Crew als Einwohner in manchen korsischen Dörfern.
Sie gehört einem amerikanischen Milliardär, der Computerspiele entwickelt.
Wir sahen auf unser Zimmer.
Wir sahen auf die Yacht.
Wir nickten wissend.






Unser Zimmer – ein Erlebnis der anderen Art
120 Euro die Nacht.
Zimmer direkt am Hafen.
Der Ausblick: großartig.
Alles andere: eher nicht.
Das Bett war eine Feder-Konstruktion, die klang, als feiere sie seit Jahren ein persönliches Knarz-Festival.
Bad und Toilette lagen auf dem Flur, was sich anhörte wie Schulabschlussfahrt in Klasse 8.
Wir beschlossen, dass wir über das Zimmer schweigen.
Und uns auf Bonifacio konzentrieren.
Der Ausblick entschuldigte vieles.
Nicht alles, aber vieles.
Der Aufstieg zur Zitadelle – Montée Rastello
Die Zitadelle von Bonifacio ist nicht nur schön.
Sie ist Pflicht.
Sie thront hoch oben wie eine steinerne Krone über dem Meer.
Der Weg hinauf: die Montée Rastello.
Eine Treppenstraße – was sonst…, die sanft beginnt und dann sehr überzeugend fortfährt.
Wer oben ankommt, ohne unterwegs Fragen an das höhere Universum zu stellen, hat entweder Sport gemacht oder keine Lunge.
Wir taten es in Etappen.
Aber: Es lohnt sich.
Oben liegt eine kleine, helle, verwinkelte Altstadt, warm, leise, zwischen Felsen, Mauern und dem Meer.
Cafés in schmalen, wunderschönen Gassen.
Blumenkästen an alten Fenstern.
Stein, der schon Jahrhunderte gesehen hat. Ein absoluter Traum! Bonifacio ist ein Muss, wenn man auf Korsika ist. Es gibt bestimmt auch schönere Hotels… 😉
Und dann der Ausblick.
Die Kreidefelsen, im Abendlicht rosa.
Das Meer tief blau.
Und am Horizont: Sardinien.
Wir konnten genau dorthin schauen, wo wir ein Jahr zuvor standen.
Ein Moment, der etwas schließt.
Etwas verbindet.
Etwas ruhig macht.


















Am nächsten Tag – Rückweg mit Zwischenstopp
Am nächsten Morgen begannen wir die Rückfahrt.
Diesmal mit Zwischenhalt in Porto-Vecchio, einer kleinen Hafenstadt, die charmant, hell und unaufgeregt vor uns lag.
Ein Ort, in dem die Zeit scheinbar langsamer geht.
Kleine Gassen, Boote im Wasser, Menschen, die es nicht eilig haben. Ein wirklich wunderschöner und sehenswerter Ort, den man ebenfalls unbedingt besuchen sollte.




Der Rückweg danach ging deutlich schneller als der Hinweg.
Vielleicht, weil wir wussten:
Wir fahren nicht einfach nur zurück.
Wir nehmen jetzt Erinnerungen mit.
Kapitel 14: Plage de Saint Ambroggio – Der stille Abschied vom Meer (und das Drama der Lederschuhe)
Bevor wir uns an den finalen Rückweg nach Bastia und zum Flughafen machten, wollten wir noch einen Tag – nur einen – in Ruhe am Meer verbringen. Keine Serpentinen, keine Dörfer auf Felsen, keine Zitadellen zum Erklimmen. Einfach: Strand. Sonne. Wasser.
Wir entschieden uns für den Plage de Saint Ambroggio, nur eine kurze Fahrt von Calvi entfernt.
Der Sand war hell, fein und sauber.
Zwischen den Sandbuchten lagen runde, warme Felsen, die aussahen, als hätten sie Jahrhunderte damit verbracht, sich von der Brandung polieren zu lassen.
Das Wasser glasklar – so klar, dass selbst die Fische aussahen, als hätten sie sich vorher herausgeputzt.
Wir breiteten unsere Sachen aus, atmeten tief ein – und spürten diesen besonderen Zustand, den man nur im Urlaub erreicht: Anwesenheit ohne Erwartung.
Das Restaurant nebenan – und die Kunst, einfach zu genießen
Etwas abseits, fast versteckt zwischen Pinien und Felsen, lag ein kleines Restaurant. Keine große Terrasse, keine Werbetafel, keine Musik. Nur ein paar Tische, Schatten, ein leichter Duft von Knoblauch, Olivenöl und Meer.
Wir bestellten eine Kleinigkeit.
Sie war so gut, dass man sagen konnte:
Das Essen war nicht viel – aber es war genau richtig.








Die Sache mit den Lederschuhen
Dann beschloss Stefan, Filmaufnahmen zu machen.
Für die Erinnerung.
Für die Schönheit.
Für die Dramaturgie.
Er ging ins Wasser, um den perfekten Winkel zu bekommen.
Mit den Lederschuhen.
Karin sah es – aber in diesem Moment war es schon zu spät.
Das Meer hatte sie.
Nicht in voller Dramatik.
Aber genug, um klarzustellen:
Salz und Leder führen keine glückliche Beziehung.
Stefan blickte hinunter auf die Schuhe, dann auf das Meer.
Und sagte in ruhiger Sachlichkeit:
„Das war dumm.“
Karin nickte.
Aber mit einem Lächeln.
Weil manchmal genau diese Dinge bleiben – nicht die perfekten Momente, sondern die schiefen, die echten.
Ein stiller Abschied
Wir blieben am Strand, bis die Sonne tiefer wurde.
Das Licht wurde weich, fast golden.
Die Felsen glühten.
Das Wasser glitzerte nur noch leise.
Wir gingen zurück, nahmen die Schuhe mit (in gemischtem Zustand), und wussten:
Morgen geht es heim – mit nassen Schuhen.
Aber heute waren wir noch einmal wirklich da.
Kapitel X + 10: Bastia, Abschied – und ein Clio mit Charakter
Der letzte Tag begann mit dem leisen Wissen: Jetzt geht es wirklich zurück.
150 Kilometer nach Osten, zurück nach Bastia.
Die Fahrt war ruhiger als sonst.
Nicht, weil es weniger Kurven gab – Korsika bleibt Korsika –
sondern weil alles, was wir sahen, bereits zu Erinnerungen geworden war, die sich leise setzten.
Bastia selbst war ein schöner Abschluss:
eine lebendige Stadt mit Gassen, die italienisch wirken,
mit Balkonen, über denen Wäsche hängt, die im Wind flattert,
mit Plätzen, die aussehen, als wären sie für lange Gespräche gebaut worden.
Wir gingen noch einmal durch die Altstadt, blickten über den Hafen und genossen die wohl letzten korsischen Sonnenstrahlen.
Dann zurück zum Flughafen.
Der Clio, tapferer Reisegefährte, kurvenfest, bergtauglich und stets bereit,
wurde nach einem stolzen Gesamtwert von 2.500 gefahrenen Kilometern zurückgegeben.
Wir nickten ihm anerkennend zu.
Er hat uns nicht im Stich gelassen.
Mehr kann man von einem Mietwagen nicht erwarten.
Mit dem Gepäck in Richtung Terminal, ein letzter Blick auf die Insel,
dann hob der Flieger ab –
und die Küste Korsikas wurde kleiner,
aber nicht weniger klar.
Karin blickte wehmütig aus dem Fenster.
Stefan schloss die Augen.
Beide wussten:
Diese Insel lässt einen nicht einfach los.







Top 10 Erinnerungen an Korsika
- Straßen, die keine Straßen sind:
Serpentinen mit Steilhang links und Abgrund rechts – ideal für Gespräche über das Leben.
Oder fürs Schweigen. Und unbedingt mit Reisetablette! 😉 - Porto Marina:
Hafen hübsch, Felsen grandios, Ort selbst „interessant“.
Aber: der Sonnenuntergang war ein Lebensargument. - Nonza und die 1.100 Stufen:
Runter ein Traum, hoch eine Charakterprüfung.
Unsere Waden erinnern sich immer noch. Ein Ausblick, den man nicht vergisst. - Saint-Florent im Wind:
Ein Ort voller Charme – und Windstärke 9.
Frisuren inklusive Neuanfang. - Das Essen in Calvi:
Pizzen und Cannelloni göttlich. Wildschweingulasch göttlicher.
Das asiatische Restaurant: pädagogischer Fehlschuss. - Die Anhalterin:
Sprache: Französisch, Italienisch, Deutsch, Korsisch, Enthusiasmus und Tempo 200.
Anschnallen war keine Option. - Ajaccio und die Zitadelle:
Die Stadt: schön.
Die Zitadelle: unsichtbar.
Ein großes „nichts“. - Bonifacio:
Unglaublich schöne Citadelle mit atemberaubendem Blick auf die Kreisefelsen.
Megayacht „Come Together“, 60 Meter lang, 70 Millionen teuer.
Wir sahen sie – sie sah uns nicht 🙁 - Lederschuhe im Meer:
Stefan ging für die perfekte Filmaufnahme ins Wasser.
Das Meer ging in die Schuhe.
Das Meer gewann. - Korsika selbst:
Wild, warm, kantig, überraschend, manchmal widerspenstig, immer echt.
Und absolut unvergesslich!!!
Und so bleibt Korsika in Erinnerung:
Nicht als Postkarte.
Nicht als Post von „Schön hier, Wetter gut.“
Sondern als Insel, die erlebt wird.
Mit Herz, Humor, Ausdauer und offenem Blick.
Wir kamen als Besucher.
Wir gingen als Liebhaber. Korsika ist eine, wenn nicht die schönste Insel im Mittelmeer. Viel schöner als Sizilien, noch etwas schöner als Sardinien. Wir waren sowas von beeindruckt!!!!
Und eines ist sicher:
Wir kommen zurück!
